Von Andrea Loettgers
Eine Verkettung von verschiedensten Krisen lässt den Supergau im Unterbau an die Türen der österreichischen Universitäten hämmern. Oder hat er sich nicht eigentlich schon vor einiger Zeit in unseren Instituten und Abteilungen begonnen auszubreiten und nimmt weiter an Fahrt auf? Dieses Eindrucks konnte man sich nicht erwehren bei der Vollversammlung, die am 24. November im Hörsaal am Oskar-Morgenstern Platz stattfand. Zu der Versammlung hatten sich trotz eines Sabotageaktes des Rektorats, das am Abend zuvor die Nutzung des Audimax aus ‚sicherheitstechnischen Gründen‘ untersagt hatte, rund 400 Teilnehmer*innen eingefunden. Der Frust, die Unzufriedenheit und die Ängste, die zur Sprache kamen, haben deutlich gemacht, dass die Situation für viele an der Universität im Mittelbau Beschäftigten nicht erst seit gestern unerträglich ist und sie nicht mehr den wachsenden Anforderungen in Lehre, Forschung, und Administration nachkommen können. Dass es alles doch noch irgendwie geht, lässt sich nur durch systematische Selbstausbeutung erklären.
Selbstausbeutung ist im Wesentlichen auch die tragende Säule für das ausgezeichnete Ranking, mit dem sich Österreichs Universitäten so gerne schmücken. Es kann wohl kein Unternehmen in der freien Wirtschaft auf eine solch loyale Belegschaft bauen. Dabei ist schwerlich zu übersehen, dass die Universitäten im Rahmen des immer weiter fortschreitenden Neoliberalismus mehr und mehr zu staatlich geführten Unternehmen werden. Die Führungsqualitäten des Managements sind dabei mehr als fragwürdig. Einen Großteil der Mitarbeiter*innen droht nach 8 Jahren dank des Paragraphen 109 die Kündigung. Das sind Jahre, in denen sie sich in Forschung und Lehre engagiert und qualifiziert haben, Drittmittel eingeworben haben, neue Forschungsfelder und -möglichkeiten etabliert haben, neue Lehrkonzepte und Seminare/Vorlesungen konzipiert haben. Geht unsere Bereitschaft zur Selbstausbeutung wirklich so weit? Die meisten von uns verbringen, wenn sie Glück haben, 8 Jahre unter einem enormen Leistungsdruck, opfern Freizeit und Wochenenden, um dann in eine mehr als unsichere Zukunft entlassen zu werden? Dann heißt es nach einer neuen Stelle außerhalb Österreichs zu suchen, umzuziehen, Freunde zurücklassen, und womöglich müssen Kinder und Lebenspartner*in mitgehen oder aber pendeln.
Es ist höchste Zeit, dass dieses System der Ausbeutung und prekären Lebenssituationen ein Ende findet. Wir fordern deshalb:
- Ein Gehaltsabschluss, der mindestens die Inflation abdeckt und der steigenden Teuerung gerecht wird!
- Abschaffung des Paragraph 109 (UG) bzw. dessen Neuverhandlung mit Einbeziehung des Mittel/Unterbaus!
- Vielfältigere Perspektiven und Karrierewege: Mehr und der Diversität der Aufgaben angemessene unbefristete Stellen an den Universitäten!
- Eine Erhöhung der Basisabgeltung für die Universitäten, gebunden an nachhaltige Personalpolitik und ausfinanzierte Forschung!
Es gilt das in der Politik etablierte Verständnis von Universitäten als gewinnorientierte Unternehmen endgültig zu verwerfen, in denen Mitarbeiter*innen als austauschbare Ressourcen verstanden werden. Wir sollten endlich damit beginnen, Universitäten als einen demokratisch organisierten Ort der Forschung, Lehre, und Entfaltung zu begreifen und zu verwirklichen. Universitäten, mit Forscher*innen und Lehrendenden, die nicht um ihre Anstellungen fürchten müssen und Student*innen, die sich nicht in prekären Lebenssituationen arrangieren müssen, können in einem solchen Umfeld ihre Kreativität, Wissen, und Begeisterung für ihr jeweiliges Forschungsgebiet nutzen und gemeinsam an Lösungen zur Bewältigung der bedrohlichen multiplen Krisen – Klimakrise, Sozialkrise, Energiekrise, Inflation – arbeiten. Im Moment bringt sich diese Regierung und vorneweg Bildungsminister Polaschek mit dieser unglaublichen Kurzsichtigkeit leider selbst und uns alle um diese Chance.
Andrea Loettgers