“Wir sind heute hier, weil es uns reicht” – Rede v. Julia Heinemann

Rede von Julia Heinemann, gehalten bei der Demo am 6.12.2022

Wir sind heute hier, weil es uns reicht.

Gerade finden die Gehaltsverhandlungen für das Universitätspersonal statt. Viele wissen das gar nicht: Es gibt an den Unis sehr viele Menschen, die mehr als 100 Prozent Arbeit leisten, aber nur Teilzeit angestellt sind. All die Lektor*innen, all die Praedocs, all die Studienassistent*innen, die einen Großteil des Betriebs an der Uni stemmen. Das ist nicht in Ordnung. Und in solchen Situationen ist ein Reallohnverlust existenzbedrohend.

Wir sind heute auch hier, weil 80 Prozent des wissenschaftlichen Personals an Universitäten befristet angestellt ist. 80 Prozent. Das heißt, die Mehrheit der Lehre und Forschung an Unis wird von Leuten gemacht, die nicht wissen, ob sie im nächsten Jahr oder auch im nächsten Monat noch eine Anstellung haben. Für diese Menschen ist eine inflationsdeckende Gehaltserhöhung auch relevant, weil sie in absehbarer Zeit mal wieder Arbeitslosengeld beantragen werden müssen. Und zwar unabhängig davon, ob sie in Lehre und Forschung Spitzenleistungen erbringen.

Bei Wirtschaftsunternehmen würde eine Auswechslung von 80% des Personals alle 8 Jahre als Warnzeichen gewertet werden, das Investoren abspringen lässt. In der Wissenschaft dagegen bringen befristete Anstellungen, ständiger Leistungsdruck und Zwang zu Mobilität angeblich Innovation. An dieser Ideologie halten die Universitätsleitungen fest, auch wenn sie längst wissenschaftlich widerlegt ist! Für die Betroffenen bringt die Situation Existenzangst, keine Möglichkeit der Lebensplanung, Druck und Stress. Für Forschung und Lehre verhindert sie Nachhaltigkeit. Wir sind heute hier, weil es uns reicht!

Die Politik scheint dieser Situation gegenüber gleichgültig zu sein. Nur eine Ausfinanzierung der Unis verbunden mit einer nachhaltigen Personalpolitik kann diesen Befristungszirkus ändern. Aber Herr Polaschek findet scheinbar, dass die Unis ja eh schon mehr als genug Geld haben. Soll man halt die Heizungen ein bisschen runter drehen. Und die völlig missratene Universitätsgesetz-Novelle von 2021 möchte man offenbar auch nicht antasten. Stattdessen schiebt man die Verantwortung auf die Universitäten.

Aber auch die Unileitungen zeigen wenig Interesse daran, unsere Lage zu verbessern. Nirgendwo im Universitätsgesetz steht nämlich, dass man 80 Prozent des Personals befristet anstellen müsse! Scheinbar ist es sogar zu viel, Leute, die teilweise seit Jahrzehnten an der Uni Wien lehren, jetzt zu entfristen. Rektor Schütze hat in einem Interview im Dezember gesagt, dass er sich wünscht, dass die Lehrenden und Forschenden an der Uni ideale Arbeitsbedingungen vorfinden. Nehmen wir ihn beim Wort!

Wir sind der Unterbau, wir tragen Forschung und Lehre an den Universitäten. Wir machen unsere Arbeit mit viel Engagement und Begeisterung. Aber heute sind wir hier, weil es uns reicht. Weil das unsere Arbeit ist, und nicht nur ein nettes Hobby! Weil wir dafür angemessen entlohnt und angestellt werden wollen. Und weil wir für eine Universität kämpfen,
– in der Kooperation statt Konkurrenz herrscht
– in der unbefristete Arbeitsverhältnisse die Regel, und nicht die Ausnahme sind
– und in der nachhaltige Forschung und Lehre stattfinden, die unsere Gesellschaft so dringend braucht.

Wir fordern deshalb heute:

– Einen Gehaltsabschluss, der mindestens die Inflation abdeckt!
– Die Abschaffung des Paragraphen 109 (UG)!
– Wir fordern einen Fahrplan für Entfristungen und diverse Karrierewege außerhalb der Professur!
– Und wir fordern eine Erhöhung der Basisfinanzierung für die Unis, gebunden an nachhaltige Personalpolitik!