REDE im Rahmen der Unterbau-Demo am 18. Dezember 2023
Mario Keller
Herzlich willkommen zu unserer dritten Unterbau-Demo, anlässlich der diesjährigen zweiten Runde der KV-Verhandlungen! Toll, dass wieder so viele unserem Aufruf gefolgt sind. Unser heutiges Motto ist: Gemeinsam gegen die Kälte des Prekariats!
Das ist naheliegend, aufgrund der kalten Jahreszeit, vor allem aber fanden wir, dass es eine passende Metapher dafür ist, wie sich unser berufliches Umfeld viel zu oft anfühlt. Denn auch wenn Arbeit im universitären Umfeld und in der Wissenschaft unglaublich bereichernd sein kann, sind die Rahmenbedingungen beinhart und oft eiskalt, und das stellt für viele von uns eine enorme Belastung dar. Was meinen wir damit?
Wir meinen erstens die Unsicherheit und Unplanbarkeit von beruflichen Laufbahnen in der Wissenschaft: Über Jahrzehnte hinweg leben wir mit dem Gefühl, nicht zu wissen, wo wir in einigen Jahren sein werden, wie es weitergeht und ob ich überhaupt in der Wissenschaft bleiben kann. Fragen, die uns permanent begleiten, sind: Wo werde ich in einem, in zwei Jahren sein? Wird mein Projekt genehmigt? Kriege ich eine Anschlussfinanzierung oder ein Stipendium? Wie schaffe ich eine Dissertation oder Habil in meiner – meistens zu kurzen – Anstellungszeit? Kann ich die Qualifikationsvereinbarung für TT erfüllen? Wird es überhaupt eine Stelle in meinem Fachbereich geben? Darf ich an meinem Uni-Standort, in meinem Land bleiben? Wie wirken sich unvorhergesehene Ereignisse auf meine Karriere aus? Kann ich Familienplanung und Karriere irgendwie unter einen Hut bringen?
All diese Fragen begleiten uns Tag und Nacht!
Zweitens meinen wir den mangelnden Respekt, der uns Mitarbeiter:innen des Mittelbaus sehr oft entgegengebracht wird. Bei vielen Uni-Leitungen herrscht die Haltung vor, dass nur ordentliche Professor:innen wirklich ernst zu nehmen sind. Vielerorts ist die Universität eine eiskalte und beinharte Klassengesellschaft. So gibt es an der Uni Wien gegenüber befristet angestellten Mitarbeiter:innen harte Regeln, z.B. dass nach vier Jahren Praedoc in keinem Fall eine Verlängerung gewährt wird, auch wenn finanzielle Mittel vorhanden und dies kostenneutral möglich wäre! Oder dass ohne Ausnahme mindestens 24 Monate „Auslandserfahrung“ für Tenure-Track–Bewerber:innen notwendig sind. Gleichzeitig gibt sich das Rektorat jedoch sehr generös und flexibel, wenn es um Berufungsverhandlungen von Professor:innen geht, die von amerikanischen Eliteunis abgeworben werden. 10.000 Euro Gehalt und mehr sollen hier keine Seltenheit sein.
Was uns hier begegnet, ist ein Weltbild, das elitär und meritokratisch ist: Nur wer es ganz hinauf schafft, hat es wirklich verdient, alle anderen sind halt „einfach nicht gut genug“ – dagegen gilt es anzukämpfen! Denn dieses Weltbild beruht auch darauf, dass herrschende Ungleichheiten und vererbte Privilegien vollkommen ignoriert werden. Denn für bestimmte soziale Gruppen ist eine Karriere in diesem System schlichtweg nicht attraktiv oder nicht bewältigbar.
Der Fokus auf den ‚einen‘, den ‚richtigen‘ Karriereweg stellt einen Irrweg dar: Gerade für die Herausforderungen der Gegenwart braucht es vielfältige und diverse Perspektiven, nicht noch mehr Mainstream-Forschung. Wir sind der Überzeugung, dass diese Art von Kälte und Härte keine gute Wissenschaft hervorbringt, im Gegenteil! Sie macht Wissenschaft und Universität unattraktiv. Und das in einer Zeit multipler Krisen, in der es gute Wissenschaft dringender denn je braucht! Der Fachkräftemangel an den Unis ist bereits da!
Gute und innovative Wissenschaft kommt nicht durch eine ständige Erhöhung von Druck zustande, sondern durch langfristige Arbeit, durch konkrete Perspektiven, Sicherheit und Kontinuität, denn nur so ist es möglich zu experimentieren und Dinge aufzubauen!
Gute Lehre kommt nicht dadurch zustande, dass man ‚Lehrmaschinen‘ anstellt, die möglichst billig so viel Lehre wie möglich machen, sondern durch Stellenmodelle, in denen forschungsgeleitete Lehre ernsthaft möglich ist! Denn genau das ist das Alleinstellungsmerkmal von Universität!
Eine gute Verwaltung der Unis kommt nur dann zustande, wenn man die Leute gut bezahlt, ausreichend (allgemeines) Personal anstellt und dieses auch gut behandelt!
Wir sind der festen Überzeugung, dass eine andere Universität möglich ist:
- eine Universität mit demokratischeren Strukturen, in denen alle Mitarbeiter:innen und die Studierenden ernst genommen werden und in der anstatt nur Konkurrenz zu fördern Kooperation belohnt wird!
- eine Uni, die mit ihrem „Nachwuchs“ respektvoll umgeht! In der dieser als Ressource und Chance behandelt wird und in der AUCH Kontinuität und Diversität unter Mitarbeiter:innen als Potential wahrgenommen wird!
- eine Uni, die ihre Mitarbeiter:innen auch als Arbeitnehmer:innen behandelt, die RECHTE haben, und nicht wie in einem Feudalsystem, in der sich Rektoren und Professor:innen wie Fürsten gebährden können, um deren Gunst man ständig buhlen muss.
Dafür braucht es mehr Geld. Das allein reicht jedoch nicht, denn es muss von er Politik auch festgeschrieben werden, wie dieses Geld verteilt wird! Das ist trotz „Autonomie“ der Unis möglich. Beispielsweise wäre die Einführung einer gesetzlich festgelegten #Befristungshöchstquote an einer Institution möglich, also eine Höchstquote von befristet angestellten Personen. Weiters bräuchte es eine verpflichtende Entfristung in der Postdoc-Phase nach spätestens eineinhalb Jahren.
Unser Appell ist also: Es braucht dringend mehr Mittelbaustellen! Diese Stellen werden nicht nur nachgefragt, sie sind auch nötig, um die Unis am Laufen zu halten. Diese Stellen müssen auch attraktive Stellen sein: Sie müssen Lehre UND Forschung ermöglichen, sie dürfen auf keinen starken Abhängigkeiten von Professor:innen beruhen und sie müssen ein attraktives Gehalt bieten.
Das Gehalt für Mittelbaustellen ist im Kollektivvertrag im B1-Schema festgeschrieben, das aktuell eine beschämend geringe Lebenserwerbskurve hat. Aktuell gibt es nur 4 Gehaltsanpassungen lebenslang, noch dazu flacht die Kurve ab. Das Gehalt liegt damit deutlich unter dem, was Sekundarstufen-Lehrer:innen, die wir an den Unis ausbilden, verdienen. Auch dafür gehen wir heute auf die Straße, um die Gewerkschaft mit ihrer langjährigen Forderung nach einer Anpassung dieses Schemas zu unterstützen!
Abschließend gilt es noch zu sagen, dass wir in der kurzen Zeit, die es uns gibt, bereits viel erreicht haben. Wir haben das Interesse in der (Medien-)Öffentlichkeit erregt und es gelang uns, im Rahmen von NUWiss mit zahlreichen Verantwortungsträger:innen Gespräche zu führen. Doch auch die Verträge vieler aktiver Personen in unserer Bewegung sind befristet und enden bald. Damit die Bewegung weiter Bestand hat, brauchen wir also euer Engagement! Wir freuen uns über jeden*jede, die aktiv werden will. Ich danke allen Teilnehmer:innen fürs Kommen und wünschen eine erfolgreiche Demonstration!