Demo-Rede von Julia Heinemann & Mario Keller

gehalten auf der Demonstration “Fair statt prekär – Unis neu denken!”, 23.3.2023 von Julia Heinemann & Mario Keller

Wir gehen heute auf die Straße, weil wir die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft nicht mehr akzeptieren wollen. Weil das System Uni vor dem Kollaps steht in einer Zeit, in der wir gute Forschung und Lehre dringend brauchen. Wir sind hier und wir sind laut!

Für die Unileitungen ist die Politik Schuld an der Misere – sie soll den Unis eben mehr Geld geben. Für die Politik sind die Unis Schuld an den Arbeitsbedingungen – sie sollen doch einfach ein paar mehr Leute entfristen. Niemand übernimmt Verantwortung. Dabei geht es hier um die Wissenschaft in ihren Grundfesten, es geht um die Ausbildung der nächsten Generation, und es geht um Existenzen. Deshalb sind wir hier: Wir werden die Situation, wie sie jetzt ist, nicht länger akzeptieren! Wir sind hier und wir sind laut!

Minister Polaschek hat letzte Woche auf die Frage, was er Leuten antwortet, die vor den Scherben ihrer Existenz stehen, gesagt: Für Einzelfälle sei er nicht zuständig. Schauen wir uns um: Hier sind heute verdammt viele Einzelfälle auf der Straße!

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Hier sind diejenigen prekär Angestellten versammelt, die nicht wissen, ob sie in einigen Monaten oder Jahren auf der Straße stehen, obwohl sie exzellente Forschung und Lehre machen. Die ihre Zeit, ihre Energie und ihr Wissen in ihre Arbeit stecken und trotzdem in permanenter Unsicherheit leben!

Hier sind viele Studierende, die uns unterstützen: Für sie bedeutet die prekäre Situation, dass sie keine nachhaltige Betreuung bekommen und stattdessen immer wieder neue Leute, die sich erst in die Lehre einarbeiten müssen. Danke für eure Solidarität, das bedeutet uns sehr viel! Denn wir glauben fest daran, dass die Universitäten die Gemeinschaft der Lernenden und Lehrenden sind und bleiben müssen.

Hier sind viele Professorinnen und Professoren, die zwar selbst entfristet sind, aber noch wissen, wie hoch der Preis dafür war. Und die sehen, wie ihre jungen Kolleginnen und Kollegen immer wieder ausgetauscht werden und sich zunehmend gegen die Wissenschaft entscheiden oder entscheiden müssen. Danke für eure Solidarität, die so wichtig für uns ist!

Hier sind auch Personen vom Allgemeinen Personal, das unter der Arbeitslast erstickt, die die ständigen Personalwechsel und Projekte mit sich bringen. Und die selbst zunehmend von Befristungen betroffen sind, obwohl ihre Arbeit zum Fundament der Universität gehört. Danke für eure Solidarität!

Wir alle sind hier und wir sind laut! Wir machen unsere Arbeit mit viel Begeisterung, aber auch mit viel Angst. Angst, dass wir bald keine Stelle mehr haben, dass das System uns ausspuckt, nachdem wir Jahre und Jahrzehnte unseres Lebens unser Herzblut in diese Arbeit gesteckt haben. Wir sind keine Einzelfälle, wir sind 34.000! Und wir sind hier und wir sind laut, weil es uns reicht!

Doch dass heute hier tausende Kolleginnen und Kollegen und Studierende unserem Aufruf gefolgt sind und sich unserer Protestbewegung angeschlossen haben, zeigt, dass Veränderung möglich ist! Wir sind Teil einer Bewegung, die nicht nur hier in Österreich stattfindet, sondern weltweit! In Großbritannien und den USA gab es vor kurzem umfassende Streiks des Hochschulpersonals für bessere Arbeitsbedingungen, und morgen gehen unsere Freunde und Freundinnen in Deutschland auf die Straße! Wir sind solidarisch mit euch!

In einem der ganz wenigen Gespräche, die wir mit Verantwortungsträger:innen aus dem Rektorat hatten, sagte die Person auf unsere Forderungen hin einfach nur «Dream on!». Wir sehen das als Aufforderung! JA, wir träumen weiter! Denn ein anderes akademisches System IST möglich!

Ein System, dass einen nicht um den halben Erdball jagt, nur um dir dann mit 50 zu sagen, dass es leider keine fixe Anstellung für dich gibt!

Ein System, in dem es selbstverständlich möglich ist, Familie und Beruf zu vereinen!

Ein System, das nicht den belohnt, der sich in einem Hauen und Stechen durchsetzt oder der einfach nur reiche Eltern hat, sondern das Kreativität und Kooperation belohnt.

Denn NUR so ist echte wissenschaftliche Innovation möglich! Und nur so haben wir Lehrende, die wirklich begeistert für das sind, was sie unterrichten! In diesem Sinn: Setzen wir unsere Träume in die Tat um! Holen wir uns unsere Unis zurück! Denn: Wir sind die Universität!

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Weitere Demo-Reden:
* Demo-Rede von Tatjana Boczy: „Für einen echten Wandel im Wissenschaftssystem statt der Weiterführung vermurkster Gesetze“ (abrufbar auf der Website von NUWiss)
* Demo-Rede von Stefan Ossmann (abrufbar auf der Website der IG LektorInnen)